Die Burschen sind heute laufstärker, schneller und fußballerisch besser Die Burschen sind heute laufstärker, schneller und fußballerisch besser Die Burschen sind heute laufstärker, schneller und fußballerisch besser
 

Die Burschen sind heute laufstärker, schneller und fußballerisch besser

09.07.2019

Leo und Stefan Lainer im Doppel-Interview. Ein Vater-&-Sohn-Talk über Trends im Fußball, aussterbende Ronaldinhos, Role-Model Philipp Lahm, schweigsame Trainer, Videoschauen in der Halbzeitpause und Würmer baden zum Stressabbau.

Du hast kürzlich mit deinen Kumpels von Austria Salzburg „25 Jahre UEFA-Cup-Finale gegen Inter Mailand“ gefeiert. Das Cupsieger-Finale mit Rapid gegen Everton jährt sich nächstes Jahr zum 35. Mal – welches Endspiel war emotionaler für dich?

Leo Lainer: Schwierig zu sagen, aber eher das mit Rapid. Ich war damals 25 Jahre jung und die Spannung war größer, weil’s ja auch in einem Spiel entschieden wurde. Damals war ich ein Jahr jünger als Stefan heute – deshalb wär’s ein Wahnsinn gewesen, wenn ihr es letztes Jahr in der Europa League ins Finale geschafft hättet.“
Fotocredit: fcrbs / gepa pictures
Wenn du Spiele von deinem Vater siehst, ist das - böse gesagt - eine andere Sportart im Vergleich zum heutigen Fußball?

Stefan Lainer: Du schaust Spiele heute ja anders. Es gibt viel mehr Kameras, taktische Ausrichtungen werden schon im Vorfeld analysiert – der Fußball wird heute im TV ganz anders aufbereitet. Ich kann mir ein Spiel von früher nur schwer anschauen, weil es nicht in HD ist. Ich muss mich bei den alten Aufnahmen sehr konzentrieren, damit ich meinen Vater überhaupt erkenne.

Leo: Die Burschen sind heute laufstärker, schneller und auch fußballerisch besser. Wir haben mehr von unserer Kameradschaft gelebt – und das richtig gut. Klar ist das heute auch wichtig, aber bei uns war’s eben so, dass jeder für den anderen eingesprungen ist.
Stefan: Früher gab’s mehr Individualisten, die den Unterschied ausgemacht haben. Wenn ich mir unsere Mannschaft anschaue, wüsste ich keinen, der in dieser Saison nicht eins zu eins ersetzt worden ist.

Was hat sich taktisch am meisten verändert?

Leo: Pressing und Gegenpressing sind heute die Schlagwörter. Wir haben das nicht trainiert – hätten es aber wahrscheinlich auch ganz gut hingekriegt. Es gab auch bei uns laufstarke Typen wie Feiersinger, Artner und noch einige andere. Es bedarf natürlich einer enorm guten Vorbereitung, um das über 90 Minuten spielen zu können. Damals konnten mehr einzelne Spieler, so wie’s Stefan sagt, ein Match im Alleingang entscheiden. Ich denke da bei Rapid an Panenka, Brucic oder Hans Krankl.

Stefan: Mannschaftstaktisch sind wir heute auf einem anderen Level, ein Leistungseinbruch eines einzelnen Spielers wirkt sich nicht so stark aus. Jeder stellt sich in den Dienst der Mannschaft und marschiert und rennt.

Ganz ehrlich: Gibt’s irgendetwas von früher, das du in dein Spiel übernehmen kannst?

Stefan: Man kann sich ja gar nicht so viele Spiele von früher anschauen, weil‘s nicht soviele Aufnahmen gibt. Für mich fällt zum Beispiel auch ein Ronaldinho schon unter früher. Selbst das ist schon wieder eine andere Welt im Vergleich zu heute. Individualisten, von denen die ganze Mannschaft lebt, gibt’s kaum noch.

Ihr habt Messi vergessen - der Barca-Star kann ein Match allein entscheiden.

Leo: Ja, aber die Sache ist die: Wenn Messi nicht liefert, hat Barcelona ein Problem.

Stefan: Das würde uns nicht passieren, weil bei uns jeder ersetzbar ist. Das ist der generelle Trend im heutigen Fußball. Wir sind ein extremes Beispiel dafür, weil wir einen sehr modernen Fußball spielen. Unser Credo lautet: Unser Star hat 11 Köpfe. Wenn ich nach England schaue, da geht’s nur noch um Intensität und Umschalten. Außer Eden Hazard von Chelsea sucht kaum jemand mehr das Eins-gegen-Eins-Duell.

Du hast Ronaldinho erwähnt – war er dein Idol?

Stefan: Nein, aber den hast du dir einfach gern angeschaut, wenn er mit seinen Übersteigern dahergekommen ist. Der hat die Gegner reihenweise stehen gelassen, das war richtig lustig zum Anschauen.

Wer hat dich inspiriert?

Stefan: Natürlich schaut man immer zum eigenen Vater auf.

Leo: Geh, du hast mich ja kaum spielen sehen.

Stefan: Klar hab ich dich gesehen! Wenn der Papa Nationalteamspieler ist, ist die Erwartungshaltung natürlich hoch. Du wirst ein wenig auch an seinen Erfolgen gemessen, willst den Erwartungen gerecht werden und sie im besten Fall sogar übertreffen. Ich hab dann vor allem Philipp Lahm gern zugeschaut – für mich der perfekte rechte Verteidiger. Weil er so einfach und klar gespielt hat und technisch überragend war. Er hat zwar keine Übersteiger gemacht, aber bei ihm hat jede Ballannahme, jeder Pass, einfach jeder Ball gepasst. Er hat immer die richtigen Entscheidungen getroffen. Dani Alves war auch sehr gut, aber das war halt eher die Kategorie Zauberer.

Ist es nur Zufall, dass du die gleiche Position spielst wie dein Vater früher?

Stefan: Früher waren wir doch alle Zehner (lacht)! Da hab mir von hinten den Ball geholt, bin nach vorn gestürmt und hab ein Tor gemacht – aber das war in der U12. Mein Papa und ich haben ähnliche Stärken: Wir sind beide lauf- und zweikampfstark und haben ganz viel Offensivdrang. Überspielt werden wir auch nicht so leicht. Das sind ein paar Dinge, die für einen Außenverteidiger ganz gut passen. Deswegen haben meine Nachwuchstrainer irgendwann dort bei mir das meiste Potenzial gesehen. Ich glaub, sie hatten Recht.

Du hattest sehr namhafte Coaches: Zum Beispiel Ernst Happel, Otto Baric, Vlatko Markovic und Hans Krankl. Was sind die Unterschiede zur neuen Trainergeneration?

Leo: Happel hat dir zweimal erklärt, was er sich von einem rechten Verteidiger erwartet. Ein drittes Mal hätte er es dir nicht mehr erzählt. Zum Glück war ich damals beim FC Tirol zwei Jahre auf einem sehr guten Level und hatte keine Diskussionen mit ihm. Er hat einfach nichts zu mir gesagt - das war ein gutes Zeichen. Da wusstest du, er ist zufrieden. Aber Happel war ein moderner Trainer, er hat damals schon Pressing spielen lassen. Ein bisschen anders, als es heute FC Red Bull Salzburg spielt, eher Mittelfeld-Pressing.


Kommunikation war nicht so gefragt damals.

Leo: Ja, das ist ein gravierender Unterschied. Happel war einzigartig, aber ich könnte ihn mir heute nicht als Trainer vorstellen. Mit seiner Art würden viele Spieler nicht zurechtkommen. Da musste man schon viel schlucken, sensibel durfte man nicht sein.

Trainerteam heißt heute Coaching Staff - mit wie vielen Trainern hast du im Alltag zu tun?

Stefan: Wir werden in allen Bereichen bestmöglich betreut. Neben dem Cheftrainer gibt es drei Cotrainer, den Tormanntrainer, einen Athletiktrainer, Videoanalyst, Mentaltrainer, dann die medizinische Abteilung und einen Rehatrainer. Aber man muss auch sagen, dass wir einen großen Kader haben. Und, weil wir Spieler aus verschiedenen Kulturen haben, gibt’s auch mehrere Dolmetscher. Aber jeder bringt sich gut ein und konzentriert sich auf seine Aufgaben. Nur so kannst du erfolgreich sein.

Leo: Wir hatten damals den Cheftrainer, einen Cotrainer, Tormanntrainer – aus.

Stefan: Bei uns kommt man zur Halbzeit in die Kabine, schnauft einmal kurz durch, dann gibt’s Videoanalysen von der ersten Hälfte.

Leo: Deshalb spielt ihr nach der Pause immer besser, jetzt ist mir alles klar (lacht).

Die meisten deiner knapp 150 Bundesliga-Spiele hast du unter Marco Rose gemacht. Hat er dich am meisten geprägt?

Stefan: Schwierig zu sagen, weil’s verschiedene Phasen in einer Karriere gibt. Ganz wichtig war Oliver Glasner, den ich nur ein Jahr hatte. Er hat mir geholfen, dass ich den Sprung von Liefering zu Ried und wieder zurück zu FC Red Bull Salzburg schaffen konnte. Er hat mich geholt, entwickelt und dann war ich auf dem Niveau, mich in Salzburg durchzusetzen. Oscar Garcia hat mich anschließend taktisch noch einmal weiter gebracht. Er hat – ähnlich wie Happel - auch nicht viel geredet, mir nicht gesagt, ob ich gut oder schlecht gespielt hab. Und trotzdem hatte das auch was für sich, ständig hattest du das Gefühl, du musst dich beweisen. Dann kam Marco Rose. Wieder ein eigener Trainertyp, der mich auf seine Art und Weise geprägt hat. Unter ihm hab ich meine besten Saisonen gespielt.

Wer hat dich am meisten beeinflusst?

Leo: Ganz klar, Otto Baric! Er hat mich von Salzburg zu Rapid geholt und später wieder nach Salzburg zurück. Er wollte mich, hat mich geschätzt und mich „gehoben“. Er wusste, dass mein Charakter passt und ich eine gute Einstellung hab.

Mit Verletzungen hattest du kaum Probleme.

Leo: Nein, außer einer gebrochen Nase und einer leichten Zerrung war nix. Und das war mit 35 – zwei Tage nach dem Finale gegen Inter beim Spiel gegen Mödling.

Christiano Ronaldo leistet sich eine Kältekammer und einen Schlafcoach. Gibt’s Dinge, die du abseits vom normalen Training machst?

Stefan: Franz Leberbauer ist meine Vertrauensperson, bei allem was das Körperliche angeht. Ich hab letztes Jahr - inklusive Nationalteam – 62 Spiele absolviert. Da ist es schon wichtig, dass du beim Verein alle Möglichkeiten zur Regeneration nützt. Und zusätzlich arbeite ich in einem anderen Bereich eben noch mit Leberbauer.

Leo: Wenn ich damals ein Problem gehabt hätte, wäre ich auch zum Franz gegangen. Viele sind mit ihren Schienbeinentzündungen zu ihm. Er hat sie alle wieder hergerichtet. Abschalten konnte ich am besten beim Fischen oder „Würmer baden“ wie Baric dazu gesagt hat.

Du warst 8 Mal Meister, 5 Mal Cupsieger und zwei Mal im Europacup-Finale – es gibt in Österreich kaum einen erfolgreicheren Spieler.

Leo: Andi Ulmer hat mich überholt. Man braucht schon Glück, muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Und natürlich muss man die Leistung bringen.

Ein Transfer ins Ausland war damals nicht so einfach, das Kontingent für Legionäre war beschränkt.

Leo: Das Ausland wäre mein Wunsch gewesen, aber du bist als rechter Verteidiger nicht so leicht wo untergekommen. 1984/85 hab ich richtig gut gespielt, eine ähnliche Top-Saison wie der Stefan 2017/18. Ich hab mir gedacht, jetzt ist’s soweit. Aber im Finale gegen Everton hat ein Fehler von mir zum 0:1 geführt. Da war für mich klar, jetzt interessiert sich kein Mensch mehr für mich. Der Stefan war ja im Vorjahr ähnlich knapp dran.

Der Wechsel zu Napoli ist im vergangenen Sommer gescheitert. Du hast damals gemeint, du willst dich mit den Besten messen, freust dich sogar aufs Duell mit Cristiano Ronaldo. Wo hast du noch Verbesserungspotenzial?

Stefan: Grundsätzlich kann ich mich überall verbessern. Meistens ist der rechte Verteidiger das erste Pressingopfer – die Gegner warten alle bis er rauskommt und dann stürzen sie sich auf ihn. Da musst du die richtigen Entscheidungen treffen. Ruhe bewahren, oft noch einmal abdrehen, zurückspielen. So wie’s eben ein Lahm gemacht hat oder ein Kimmich heute macht. Deswegen hab ich letztes Jahr von Cristiano Ronaldo geredet und gesagt, dass ich mich mit den Besten messen will. Ich hab nicht das Gefühl, dass ich den Zenit schon erreicht hab.
Stefan Lainer in einem weißen Polo-Shirt von RB Salzburg
Leo Lainer mit einem Schal von RB Salzburg
Stefan Lainer während eines Spiels von RB Salzburg
Stefan Lainer während eines Spiels von RB Salzburg